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Verse und andere Gereimtheiten

Kategorie: Gedicht (Seite 5 von 8)

Die Regel

Eine Regel schritt gemessen
Ihres Wegs nach Schema F.
Wirkte aber in Betreff
Dessen auch schon selbstvergessen.

Und der Ort, wohin sie langte,
Während sie sich gehen ließ,
War ihr unbekannt und dies
Jetzt der Grund, worauf sie schwankte:

Spitz im Dunkel einer Gasse,
Hielt ein Winkel sich versteckt,
Hat sie mit Gewalt geschreckt,
Dass sie kräftig aderlasse.

Doch die Regel, so bedroht,
Rief, »Den Frevel werd ich rächen!
Nein, ich lasse mich nicht brechen!«
Und sie schlug den Winkel tot.

EPILOG

»Welch Fanal, welch dunkles Zeichen,
Von sich selber abzuweichen!«
Sprach die Regel, schon im Gehen,
Fast als wäre nichts geschehn.

Eine Plagiatsaffäre

Ein Löw, der stets nur Fleisch gerissen,
Hat unverhofft ins Gras gebissen.

Im Wiesengrund, wo er verschieden,
Da treibt die Pusteblume Blüten

Und fasst zusammen das Geseh’ne:
»Gefährlich sind des Löwen Zähne«.

Worauf sie schließt – bestäubt vom Wahn –
»Gefährlich auch: der Löwenzahn«.

Da schnell für falsche Größe büßt,
Wer seinen Stern so böse grüßt,

Hat sorgend eine Gans zuletzt
Noch Gänsefüßchen hingesetzt.

P. H.

Ich träumte einen Traum:
Ich hing als letztes Blatt
Im Herbst an einem Baum
Und fiel nicht ab.

Der Winter zog herauf
Und fuhr in jeden Ast.
Doch ich blieb obenauf:
Als letzter Gast.

Ich trotzte allen Winden
Und Stürmen, nass und kalt,
Und ließ mich nicht entbinden
Von meinem Halt.

Anhob zuletzt ein Kreischen,
Aus einer fremden Welt,
Da ward der Baum gefällt.
Wir mussten beide weichen.

Hoheitsgebiete

Emporgehoben auf den Thron
Empfängt mein Blick der schönsten Länder
Reiz. So wächst dem König Lohn
Im Dienste

Stets
Dein Seifenspender

Quellbach und Mühle

Während du noch Segen schenkst
Und auf meine Mühle lenkst,
Hege ich längst einen Teich,
Drin dein Wasser vorzuhalten,
Mild umsäumt von einem Deich,
Denn es kommen sicher Zeiten,
Da die Quelle still versiegt
Und dein Bachbett trocken liegt.

Doch dein Wasser treibt ins Helle
Strömt aus nimmermüder Quelle.
Wie es durch die Wälder schießt –
zügelloser, wilder Reigen! –
Wird es sich, solang es fließt,
Mannigfroh auf Bahnen zweigen.
Neigung ahnt wohl, dass sie endet,
Doch sie schont nicht, wo sie spendet.

Wenn der Zauber dann versiegt,
Deine Mulde trocken liegt,
Harrst du öde im Gefälle
Auf den nächsten Rülps der Quelle.
Wohingegen voll mein Speicher,
Stetig vom Erleben reicher.
Fröhlich klappert meine Mühle,
Kreist der Mahlstein der Gefühle.

Biomüll

Im Verzehr der Lüste sind
Mann und Frau vor Hunger blind.
Und die Decke auf dem Tisch
Reißen sie herab mit sich.

Bald, in Scherben von Geschirr,
Liegen müde sie und wirr.
Träge leckt der Hund die Reste
Ab von jenem Freudenfeste.

Kleinstadt Casanova

Alle Ortsnamen sind verbürgt. Die Episoden selbst sind frei erfunden. Die deutsche Provinz würde keiner der Art lange überleben.

Ich bin so gern in Laubegast
Bei Ruth, in ihrer Laube, Gast.

Als Don Juan in Leutewitz,
Da schmerzt mich bald der Leute Witz.

Schön, wenn zu mir in Schönefeld
In Liebe manche Schöne fällt.

Doch nicht sehr fern, in Sondershausen,
Darf wildes Glück besonders hausen.

Der Damenwelt in Halberstadt,
Der geb ich spaßeshalber statt.

Zu Füßen in Marienfeld,
Das Herz mir von Marien fällt.

Die freche Gunst der Anna borg‘
Ich mir sofort in Annaburg.

Wenn ich jedoch mit Anna polter‘
Dann ist das Anna aus Apolda.

Die Einsamkeit in Brackenheim,
Die treibt mir nur Schabracken heim.

Zum Glück gelingt ’s mir in Erlangen
Erquicklicheres zu erlangen.

Fast sesshaft wird man in Konstanz
Nach einer Weile bei Constanz‘.

Für Frevel gibt es lauter Ecken
Im frevelhaften Lauterecken.

Oft nimmt man mich in Eppelheim
Für ‘n Ei und ein paar Äppel heim.

Im Swinger-Club von Lengerich
Bin Mitglied nicht mehr länger ich.

Im Pavillon des Parks von Liebstadt
Da findet unablässig Lieb statt.

Noch jede Nacht in Lohr am Main,
Da nenne ich die Lora mein.

Im Sommer lauf ich durch Meerane
Wo ich viel seh‘ und noch mehr ahne.

Was denkt man sich in Meinerzhagen,
Da dort die Damen meiner zagen?

Ich find bei jedem Mäusel Witz
Und vieles mehr in Meuselwitz.

Ich fange mir bei Hildesheim,
Viel Wildes ein in Hildes Heim

Und mittendrin in Mittenwalde,
Wo ich in manchen Mitten walte.

Die Damenwelt der Länge fällt
Ins Bett in Pockau-Lengefeld

Und immer wieder Tegernsee,
Wo ich sie nach dem Tee gern seh.

Auch zahl ich stets mit vollem Wert heim,
Was mir die Damen wert in Wertheim.

Wenn ich durch Bach und Wiesen steig,
Dann oft zu zweit in Wiesensteig.

Was Dunkles ich im Wesen berg‘
Entdeck ich Kim in Wesenberg.

Abgesang

Im Unterholz von Meisenheim
Da suchten mich Ameisen heim.

Ich seh‘ auch nie mehr Siebenbürgen,
Darf sonst für Kinder – sieben! – bürgen.

Wer sorglos liebt in Rödental,
Erwirbt schnell Diarrhö dental.

Weit schlimmeres glauben wir von Runkel
Dort munkelt man, es gäb‘ Furunkel.

Der Liebe Vorhang bitter fällt
Zu guter Letzt in Bitterfeld.

Heringsdorfer Walzer

An einem heißen Sommertag,
Wo man sich gern erfrischen mag,
Da möchte ich ein Kieselstein
Im Saum der Meeresbrandung sein.

Kommst du ins Nass, die Knöchel kühlen,
Dass mich die hellen Waden blenden,
Dann lasse ich mich zu dir spülen,
Mich wild herum dich her zu wenden.

(Wenn eine Welle höher schwappt,
Dann hat mein frecher Plan geklappt.)

Hellerauer Sommeridyll

Die Sonne schmilzt auf einem Stein.
Die Postfrau schnarcht im Birkenhain.
Die Ruderwanze schnurrt im Teich.
Drei Frösche unken krötengleich.

Ein Rasenmäher frisst sich satt.
Der Gartenschlauch vergisst sich glatt.
Im Busch versteckt: ein Bubenstreich.
Bei Oma werden Linsen weich.

Die Hausfrau heckt ein Stelldichein.
Ein Korken stiehlt sich aus dem Wein.
Im Birkenhain steht eine Bank.
Ein Arbeitnehmer meldet: krank.

Poetische Schutzkultur

Ich lag auf einer Mauer
Und ließ Gedanken frei,
Der Himmel war ein blauer.
Wer weiß das je genauer?
Da flog dein Kuss vorbei.

Ich ging ihn einzufangen
Gleich einen Schmetterling
Und lief nicht ohne Bangen
Umher bis das Verlangen
In meinem Netze hing.

Da wuchs in mir ein Regen,
Den süßen kleinen Mund,
Zu fernerem Erwägen
Mir unter Glas zu legen
Von schöner Wölbung rund.

Dass dieses Glockenglase
Treu hüte mir den Schatz
Gewiss vor meiner Nase:
Wohl unter jener Blase
Fand ich ihm diesen Platz.

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