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Verse und andere Gereimtheiten

Kategorie: Gedicht (Seite 1 von 9)

Die Suppe

In den meisten Lebenslagen
Muss man dafür Sorge tragen,
Dass das Spiel der Elemente
Stets in bester Mischung ende.

Wenn die Köchin mit Bedacht
Würze in die Töpfe macht,
Dann gerät selbst solches lecker,
Wo verschieden die Geschmäcker.

Auch, wer solche Mühe treibt,
Strebt, dass etwas übrigbleibt
Von der Suppe, kocht sich mehr
Für den späteren Verzehr,

Den Genuss sich aufzusparen,
Durch bewährtes Frostverfahren:
Kühl verstaut in eine Truhe
Hat die Speise gleichfalls Ruhe.

Was jedoch zu fragen wäre:
Wie steht’s um die ungefähre
Haltbarkeit nun der Aromen,
Gibt es hierfür gutes Omen?

Nach dem ersten Mal Erwärmen
Kommt der Gaumen noch ins Schwärmen,
Doch bereits die nächste Runde
Bringt uns niederschmetternd Kunde:

In der Brühe schwimmt ein Schaden,
Man erkennt schon einen faden
Beigeschmack, der dann beim dritten
Durchgang nicht mehr wohlgelitten.

Überflüssig drum die Frage,
Ob von einer Neuauflage
Ferner abzusehen sei.
Eine Suppe ist kein Brei.

Hegel in Love

Du willst meine Gedichte nicht,
Ich kann’s dir nicht verdenken.
Du fühlst mit Recht, was jeder Vers
Dir raubt, Dich zu verschenken.

Er nimmt, was dir allein gehört,
Und zerrt es auf die Bühne,
Und meint dann alles allgemein,
Ich weiß, dass ich das sühne!

Doch bleibt das dir Besondere
In alledem enthalten,
Dein Mannigfaches bildet sich
Heraus in den Gestalten.

Und immer neu zurückgekehrt,
Bleibst du auf ewig mein.
Auch wird die Welt, die ich erschaff,
In dir gefangen sein.

Du willst meine Gedichte nicht,
Doch geb ich zu bedenken:
Was meine Feder dir entriss,
Das konntest du nur schenken.

Immergrün

Als das Wunder, das wir waren,
Sich in welke Blätter zweigte,
Ließen wir die Hoffnung fahren
In die Sense, die sich zeigte.

Doch die Wurzel saß noch tiefer
Als der Schnitt, den wir vollbracht.
Neue Knospen treiben wieder
Ihre Blüten über Nacht.

Tag der Befreiung

In der ersten Reihe steht
Der Gesandte, höchst geweiht,
Vor dem Mahnmalblumenbeet,
Ins Ensemble eingereiht,
Wagt sich an das Opfer ran,
Das sich nicht mehr wehren kann.

In Gedenken starrt der Bube,
Eingerahmt durch jene Feier,
Wieder in die Mördergrube,
Einstmals Henker, heut: Befreier.
Selbst der Deutsche strebt auf Erden
Stets aufs Neue gut zu werden.

Sieht man auf die Fahnenschwenker,
Fehlt ein Land hier namentlich,
Einst Befreier, heute Henker,
Keiner merkt es, doch man hat sich
Immerhin dabei gedacht:
Die Geschichte wird gemacht.

Die Eifersucht

Übelmeinend ist der Ruf,
Den das Leben mir verschuf:
Nämlich dass, ging etwas schief,
Hinterher ein jeder rief:

Schuld trägt hier der Totengräber,
Er, des Teufels größter Streber,
Schadete der Sache arg,
Stieß sie rücklings in den Sarg.

Hilflos, wie die Eifersucht,
Mehr aus Ohnmacht, denn aus Wucht,
Weiß ich, dass ich dann vergrabe,
Was ich längst verloren habe.

Dubček, Aquaplaning

Aus der Welt, aus Böhmisch-Mähren,
Aus der Fahrbahn schoss ein Wagen,
Schräg nach vorn sich überquerend,
Kam er nicht noch mal zum Tragen.

Dies passierte Neunzehnhundert-
zweiundneunzig einem Mann,
Dem das – schnappte man verwundert –
Arglos nicht geschehn sein kann.

Doch die späthin einbestellte
Untersuchung fand nicht eine
Spur, die den Verdacht erhellte
Für das Böse. Man sah keine

Dunklen Kräfte hier am Werk.
Gott ließ jenen Dissidenten,
Einst Prophet, bald ohne Berg,
Grußlos in der Ödnis enden.

Toquillage

Die Geschlossenheit der Reichen
Kennt im Freisein kein Erbarmen:
Luxus lässt sich nicht erweichen;
Hart ist noch das Brot der Armen.

Hat ein Reicher einmal Pech,
Wenn der Steuerfahnder ihn
Ins Visier nimmt und dann frech
Auch erwischt beim Hinterziehn,

Ruft er seine Limousine,
Worin da sein Anwalt schon.
Eh die Schwedische Gardine
In das Schloss fällt, sitzt Kaution.

Für weit weniger als dies
Fährt der Arme auf der Stelle
(Weil er sich ertappen ließ)
Freilich ein in seine Zelle.

Denn bei Sicherheit von Reichen
Kennt der Richter kein Erbarmen,
Schützt er doch, für seinesgleichen,
Was gestohlen von den Armen.

Lenin Weihnachtsmann

Ihr braven Kinderlein, es gibt keine Geschenke.
Die Schlittentiere harren dröge vor der Tränke.
Dort streiken sie fast unbemerkt im Walde draußen,
In Wahrung der gewerkschaftlichen Pausen.

Demungeachtet wäre euer Sack auch leer,
Die Produktionsverhältnisse sind drin, daher:
Was ihr für andre herstellt, könnt ihr euch nicht leisten,
Wagt ihr es noch, euch zu erdreisten?

Ein kleiner Junge steht vorm Christbaum unter Tränen,
Da endlich tritt zum Troste ihm entgegen Lenin:
Gen Osten zieht ihr bald schon wieder in den Schnee,
Geschenke bringt euch dann die Rotarmee.

Linkes Herz, MdB

Abgeordnet in die Kammer,
Stopfgemästet mit Diäten,
Stört dich zyklisch nur noch Jammer
Derer, die geplagt von Nöten.
Dann, zum Wahlkampf, schlägst du drein:
Leben muss bezahlbar sein.  

Linkes Herz am rechten Platz,
Aber stets in freier Peilung,
Liest du morgens in der taz:
Schuld am Leid sei die Verteilung.
Abends wieder schmeckt der Wein: 
Leben muss bezahlbar sein.  

Unbemerkt, an Wochenenden,
Wirst du dich ins Land begeben
Für Gespräche mit Verbänden,
Die besorgt ums Wirtschaftsleben.
Immerhin, man lädt dich ein:
Leben muss bezahlbar sein.  

Dort verkehren dicke Herren,
Damen, die sich kenntlich zeigen,
Die sich keinem Flegel sperren,
Schicklich nachher drüber schweigen.
Und du fragst dich, kann so ein
Leben denn bezahlbar sein?  

Drauf, zu fortgerückter Stunde,
Hört man ein paar Koffer klacken
Und der Dickste in der Runde
Klatscht den Damen auf die Backen,
Zahlt den Deckel, lächelt drein:
»Jeder muss bezahlbar sein.«

G.

Wer wollte diesem Stoff das Drama schreiben?
Der größte Narr, der je gelebt, ist tot.
Der Clown ist tot. Feststeht: Er wird es bleiben.
Er gab den Retter. Ohne Not.
Was ist der letzte Lohn dann, für sein Treiben?
Ein Grabstein: stark beschmiert mit Menschenkot,
Worauf sich wieder welche übergeben.
Wer hier ans Beet kommt, den bestraft das Leben.

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