Dort, wo sich der Mensch zum Warten gedrängt findet, sieht er sich – oft mehr als es ihm ziemte – dazu veranlasst, die rechte Fügung der Welt in Zweifel zu ziehen. Dabei sollte er, schicklicheren Erwägungen folgend, besser davon absehen, öffentliche Räume aufzusuchen, deren betriebsgemäßer Zustand der der Überfüllung ist; Orte also, an denen die erschöpfende Versorgung aller mit Gütern des geneigten Bedarfs für ungesichert gelten muss.
Wo Knappheit herrscht ist das Herzeigen von Gesittung Luxus und ganz sicher von Nachteil für denjenigen, der ihn sich leistet. Dies gilt umso mehr, wo der Durstige einen von zahlreichem Volk umlagerten Tresen vorfindet. Gleich der Stürmung einer Festung sieht er mehrere Angriffswellen an die Mauer heranwogen und es ist nicht vorherzusagen, an welcher Stelle der Durchbruch gelingen wird.
Dinge etwa dieser Art gingen dem besorgten weil durstigen Betrachter durch den Kopf, während er sich von den hinteren, vorwärtsdrängenden Reihen langsam in Richtung Tresen schieben ließ in der beständigen Hoffnung, eine Ecke der Theke zu erobern, geeignet, sich mit dem Wirt ins Verständnis zu setzen.
Auf jenen Posten hatte es jedoch bereits eine Dame mit erwiesenen Vorzügen abgesehen, welche in der Folge mit frappierend unweiblicher Grobheit ihr Vorwärtskommen unter Gebrauch beider Ellbogen zu beschleunigen wusste. Endlich kam sie mithilfe wohlplatzierter Ruppigkeiten zwischen Tresen und Betrachter zum Stehen. Der Wirt erfasste ohne Säumnis ihre erwiesenen Vorzüge mitsamt ihrem Bestellwunsch. Der ob dieser Dreistigkeit zunächst in Staunen versetzte Betrachter entschloss sich schließlich, die über alle Maßen zielstrebige Delinquentin mit ein paar Heineversen heiter zu belehren:
»Gott versah uns mit zwei Händen,
Dass wir doppelt Gutes spenden,
Nicht, um doppelt zuzugreifen
Und die Beute aufzuhäufen.«
Da hielt sie längst ihr frisch Gezapftes in Händen und unterbrach den Vortragenden mit dem überschwenglichen Freimut der Siegerin: »Gott versah uns mit zwei Brüsten«. Triumphestrunken floh sie samt Bier die wogende Menge. Die am Tresen entstandene Lücke schloss sich rasch und ließ den so schnöd Hintangestellten nachdenklich zurück.
»Unverschämt«, befand ein späterhin zugesellter Freund, welcher den geschilderten Ereignissen in steigender Erregtheit gefolgt war. »Immerhin hat das Metrum gestimmt« beschwichtigte der Betroffene, der zunehmend über seinem Bier genas, und fügte, auf das inzwischen leere Glas des noch immer fassungslosen Freundes deutend, hinzu: »Bring mir bitte eins mit!«