Die Schürze ist dem Zweck bestimmt,
Dass nichts darunter dringe,
Das sich zum Schaden unternimmt
Und schmutzig gar verdinge.
Monat: Juni 2017 (Seite 1 von 2)
Die Kuh, die grad durchs Eise kracht,
Gab nicht auf ihre Kreise acht.
Regieanweisung: Die angeführten Passagen werden von einem Matrosenchor gesungen. Zur Not tun es auch Holzfäller.
Ein stolzes Schiff ging einst auf große Fahrt
– aber dann –
Kam ein Boot nur noch zurück
Und ich dachte: »Auch du, auf einmal so klein?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur aus uns gemacht
– Was haben sie nur aus uns gemacht –
Ein volles Glas ging schäumend ab vom Hahn
– aber dann –
War es leer im Augenblick
Und ich dachte: »Nanu, auf einmal so leicht?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur mit dir gemacht
– Was haben sie nur mit dir gemacht –
Ein stolzes Heer lief raunend in die Schlacht
– aber dann –
Kam ein Häuflein noch zurück
Und ich fragte: »Warum auf einmal so leis?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur mit euch gemacht
– Was haben sie nur mit euch gemacht –
Ein Werdegang zog oben seine Bahn
– aber dann –
Schnitt man ihn von einem Strick
Und ich dachte: »Warum auf einmal so bleich?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur von dir gedacht
– Was haben sie nur von dir gedacht –
Die schöne Braut stand festlich vorm Altar
– aber dann –
Lief sie fort auch noch mit mir
Und sie lachte: »Auch du, auf einmal so frei?«
– sieh an, sieh an –
Was haben wir nur bis hier gemacht
– Was haben wir nur bis hier gemacht –
Ein Lied hat einen Einfall. Aus dem folgt alles weitere. Den hier vorliegenden habe ich mir von Peter Hacks geliehen und ihn mir zum Punzieren aufgespannt.
Der Dichter schrieb der Schauspielerin Eva-Maria Hagen – bereits im Herbst ihrer gemeinsamen Liebschaft – auf eine Postkarte:
»Eben fuhr ein großer Dampfer von rechts nach links und nach einer Weile kam (von links nach rechts) ein ganz kleiner Dampfer zurück und ich habe geseufzt und gesprochen: ›Bruder, was haben sie mit dir gemacht?‹«
Veröffentlicht in: Eva-Maria Hagen, Peter Hacks, Liaison amoureuse, Eulenspiegel Verlag 2013. Das Buch ist zurecht weitgehend unbesprochen. Der knappe Briefwechsel mitsamt eingestreuten Fülltexten und -nummern wird schrullenhaft eskortiert von den verkrampften Erinnerungen einer Vergessenen.
Bei FKK-Banausen packt
Mich Grauen ohne Pausen nackt.
Schlage dich nicht mit jenen, deren Zeit weniger wertvoll ist als deine.
Der Wunsch, im Nu bei dir zu weilen,
Er heißt die Tat, sich zu beeilen.
Schon werfe ich mich übers Rad
Und frisch geölt glänzt jeder Draht.
Die Stadt umfängt mich mit Verkehr,
Der wächst und brüllt und stellt sich quer –
Das Ziel, das nah noch schien am Start,
Rückt fern und ferner mit der Fahrt.
Zumal: Das Vorwärtskommen regelt
Ein rätselhaftes Leitsystem.
Womit das Chaos zwar entflegelt,
Doch hier gilt: Lösung gleich Problem.
Man darf so schnell nicht, wie man will,
Auf Straßen mahnen Recht und Bill
Zum gegenseitig Rücksicht nehmen,
Die Ungeduldigen zu zähmen.
Und selbst der Greis mit seinem Rad,
Der sicher keine Eile hat,
Holt mich stets ein, an jeder Ampel
Wieder. Nutzlos mein Gestrampel.
Was sind das für Menschen, die Radiosender hören, in denen vor Blitzern gewarnt wird? Die Musik, die auf diesen Sendern läuft ist schon so schlecht, dass in jedem Mensch von Geschmack das Bedürfnis, die Reise zu Fuß fortzusetzen, obsiegen sollte.
Der gemeine Wunsch jedoch, von staatlicher Gängelung befreit zu sein, ist stärker und steigert sich im beherzten Bürger zum Hass auf den Blitzer. Der so Ausgebremste sieht in seinem persönlichen Vorankommen das der Allgemeinheit selbstverständlich verbürgt. Regeln sind Fesseln und sie fesseln den Tüchtigen, dessen Wert sich auch nach Pferdestärken bestimmen ließe. Hinzukommt, dass derjenige, der sich erwischt findet, sich stets sicher ist: Es hat den Falschen erwischt.
Der Vorteil von Blitzern ist weitgehend unbegriffen: Indem sie als unentwegte Drohung die Drängler zur Zurückhaltung mahnen, nehmen sie den Rücksichtslosen die Zeit. Wieviel schrecklicher eine Welt, in der ausgerechnet jene noch mehr Zeit hätten, die es stets am lautesten bedauern, zu wenig Zeit zu haben? Keiner kann wollen, dass die eher ankommen.
Ich trinke, um zu vergessen, dass du weißt, wie alt ich bin.
Du sagst, du kannst dein Glück nicht fassen
In Worte. Narr, dann tu es lassen.
Doch du fährst fort, dich hin und her zu winden.
Wer soll dabei auch Worte finden?
Wackelkontakt: Über Metakommunikation auf unterster Ebene
Ein Smiley zeigt an, dass etwas fehlt: Der Wille nämlich zu einem vollständigen Gedanken. Dabei wissen die Hersteller jener abgebrochenen Sendung sehr wohl, dass sie zu wenig liefern und schmeißen beschwichtigend sozialen Ramsch hinterher: Das Smiley. Wie eigentlich nennt man das, was man im Handel als Entschädigung dafür bekommt, dass man ein fehlerhaftes Produkt erhalten hat?
Qualitätsware hätte so etwas nicht nötig. Im Gegenteil. Welcher Stümper wollte einen hübsch zusammengezimmerten Gesprächsgegenstand nachträglich durch ein Smiley entstellen? Aber dazu kommt es nicht. Die steinige Mühe vor Augen, den vollständigen Gedanken ins Ziel schleppen zu müssen, brechen die meisten die Übertragung willkürlich ab und erklären den stiefmütterlich hingeworfenen Gedankentorso leichten Hirns für fertig, indem sie ihr Smiley sprechen lassen: »Freund, ich bin dir wohlgesonnen – viel mehr brauchst du jetzt nicht wissen.« Konversation ist zu anstrengend. Man furzt ohne anständig verdaut zu haben.*
Die Vorteile des Smileys wiederum sind zu offensichtlich, um nicht sofort zu bestechen: Sie sparen Zeit: Emoticons sind Fertiggerichte fürs Gemüt. Bla-Bla to-go. Andererseits versichern sie dem Empfänger, dass man es ganz sicher nicht so gemeint hat – sollte man sich versehentlich den Luxus einer Meinung geleistet haben.
Dennoch: Ein Smiley ist nichts weniger als eine Beleidigung. Wenn nämlich das Wertvollste des Menschen des Menschen Zeit ist, dann bekommt man hier sehr augenscheinlich bedeutet, was man dem anderen gerade nicht wert ist: Wer ein Smiley erhalten hat, dem wurden die sozialen Zuwendungen gekürzt; der wurde in den freundschaftlichen Sparhaushalt verschoben. Und sage nur keiner, dass er keine Zeit habe. Niemand hat jemals Zeit. Aber wenn man schon keine Zeit hat, dann sollte man diese nicht auch noch mit Belanglosigkeiten vertun.
Immerhin: Die Smiley-Benutzer »sparen« am Ende nicht nur sich selbst die Zeit, sondern auch uns. Denn das Smiley ist sehr hilfreich bei der sozialen Schnellauswahl: Personen, die Smileys versenden, muss man nicht antworten. Ein Smiley ist wie ein Prüfzeichen: Transportgut bedenkenlos. Inhalt lässt sich ohne Rückstände entsorgen.
Es spricht ja nichts dagegen, faul zu sein und sich das Leben einfach zu machen. Aber doch nicht da, wo es spielt. Da nämlich, wo man – vermittelt oder unvermittelt – noch aufeinander trifft. Mäßigen wir uns endlich zur Milde herab und erinnern uns ehrfürchtig daran, welch schrecklichen Fluch schon Giacomo Casanova der Menschheit hinterlassen hat:
»Faulheit wird durch Langeweile schon bestraft«.
*Die vorliegende Polemik hält es nicht für nötig zu beweisen, dass es immer falsch ist – selbst in den nebensächlichsten Angelegenheiten – den Anspruch aufzugeben, Haltung zu zeigen. Der kategorische Imperativ gilt immer, auch im Bereich des geselligen Obsorgens.