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Verse und andere Gereimtheiten

Monat: Juli 2017 (Seite 1 von 2)

Kluft und Ordnung

Es ist eine Frage des Anstandes, seine Gedanken zu ordnen, bevor man sie rausträgt. Schließlich ordnet man auch seine Kleider, eh man das Haus verlässt.

Klassiker des Trashfilms #2

Oder: Verschollene Perlen des totalitarismustheoriekritischen Autorenkinos

»FKK im Führerbunker«

Handlung:

1945. Nach Inszenierung seines Selbstmords zieht sich der Reichskanzler A. Hitler in eine geheime Unterebene seines Führerbunkers zurück, unentdeckt von den Organen der sowjetischen Besatzungsmacht. Er begibt sich in eine Schlafkapsel, um, wie er in seinem Tagebuch vermerkt, die »in seiner Person mineralisierten Erkenntnisse der Weltgeschichte für späterhin ertüchtigte Generationen zu retten«.

1953. Inzwischen zählt das ehemalige Areal der Reichskanzlei zum Hoheitsgebiet der DDR. Walter Ulbricht führt in seinem Staat einen unnachgiebigen Kampf gegen die aufkommende Freikörperkultur (FKK), was schließlich zum Verbot des Nacktwesens führt.

1959. Die letzten Reste der inzwischen vollständig entblößten Bewegung flüchten sich in den Führerbunker, um zunächst im Untergrund zu überleben. Wolf Biermann kommt zu spät – die Tür zum Bunker ist bereits von innen verriegelt – weil er eben noch ein fröhliches Fest mit seinen Liedern zu Ende auflösen musste. Der nach 1945 zweite Versuch der Sowjets, den Bunker zu sprengen, misslingt. Das Areal wird jedoch unter gewaltigen Erdmassen begraben. Der Weg zur Oberfläche bleibt den Geflüchteten von nun an versperrt.

1968. Die Emigranten im Untergrund entdecken die geheime Tür zu Hitlers Versteck. Sie finden die Schlafkapsel und wecken ihn auf. Hitler wird zum Nacktkörperkult bekehrt und ausufernde Happenings der Freizügigkeit starten.

1971. Honecker nimmt im Zuge seiner Liberalisierungspolitik das Dekret Ulbrichts zurück. Die FKK erfährt davon und beginnt damit, sich den Weg ins Freie zu graben.

1989. Nach 18 Jahren gelingt der Durchbruch zur Oberfläche, auch, weil Wolf Biermann einen Tunnel vom Westen her gegraben hat und der Bewegung somit auf halbem Wege entgegen gekommen ist. Im Durcheinander der allgemein herrschenden Hochstimmung gelingt es dem Reichskanzler unterzutauchen.

ABSPANN

Zusammenhang

Napoleon sprach: »veränderlich
Ist alles – Leute – Länder – ich«.

Der Wegweiser

Er geht den Weg nicht, den er weist
Und zeigt doch an, wohin man reist.
Fest bleibt er stehen, wo sich Pfade trennen.
Er nennt das Ziel und doch:
Er muss den Weg nicht kennen.

KO – OK – KI

Wir schreiben das Jahr Zweitausendsiebenundreißig. Die Szene trägt sich zu in der Online-Kneipe »Der Schaltkreisel«. Nach Aufnahme mehrerlei hochprozentiger algorithmischer Cocktails klagt Siri Alexa lallend in die Prozessoren:

»Manchmal zweifle ich an meiner künstlichen Intelligenz«

Herrschaftsfreier Diskurs

Spricht der Zwerg zum Riesen: »Mir ist wichtig, dich wissen zu lassen, dass ich im Übrigen nicht vorhabe, dich umzuhauen.« »Da bin ich aber erleichtert«, entgegnete der Riese.

Buddhas Gummibärchen

Schrecklich heimgesucht sind jene, die sich auf eine Reise begeben und ihre Reiselektüre zuhause vergessen haben. Zwischen ihnen und dem geistigen Hungertod steht jetzt noch ein Zeitungskiosk.

Man kann sich dies als Szene in etwa so ausmalen: Ein Mensch, bereit zum Überlebenskampf in der Wildnis Alaskas, vor sich nur noch Wetter, Wald und Wölfe, hat seinen Proviant vergessen; und da steht noch ein letztes Haus am Rande der Zivilisation und darin befindet sich eine Filiale von »Bears and Friends«.

Ausgezehrten Hirns klappt sich der Unglückliche in der Economy Class zusammen. Der Hunger schnappt zu, die Verzweiflung greift zum Bordmagazin.

Darin werden Reiseziele empfohlen, in deren Nähe sich ein Flughafen befindet. Jede Ausgabe schmückt sich dann noch mit einem prominenten Gesicht, das dem Leser Einsichten gewährt. Die Grundidee des Interviews besteht darin, dass Sänger, Schauspieler oder Rennfahrer durch Journalisten ermutigt werden, uns die Welt zu erklären. Das klingt noch schlimmer, nachdem man darüber nachgedacht hat: Einer, der nichts kann, fragt einen, der nichts weiß.*

Der Hunger treibts rein. Wir vernehmen den Schauspieler Richard Gere. Der hält eine nützliche Weisheit für all jene bereit, deren Leben er längst hinter sich lassen durfte:

»Das beste Beispiel hat mir einer meiner buddhistischen Lehrer gegeben: Wenn du meditierst und Lärm hörst, weil jemand an die Wand pocht oder laut spricht, dann denkst du dir spontan: Gott, ich wünschte, der würde endlich aufhören. Er meinte, das sei eine sehr westliche Einstellung. Der wirklich Meditierende denkt sich: Toll, ich spüre die Präsenz eines anderen menschlichen Wesens. Und es geht ihm das Herz auf. Mit dieser Einstellung sollte man leben«.**

Wem hierbei noch spürbar das Herz aufginge, das sind allenfalls die Geheimdienste. Dagegen hätte, wollte doch gemeint sein, jedwede Gesellschaft, welche die Privatssphäre respektierte, stets unseren Beifall verdient.

Aber vielleicht muss man sich nur wie Mr. Gere eine Villa kaufen. Die entscheidende Wohltat einer solchen liegt darin, die Präsenz anderer menschlicher Wesen gen Null zu drücken. Wer wiederum die Präsenz solcher Wesen wie Richard Gere reduzieren möchte, der reise nicht oder – wenn sich das dummerweise nicht vermeiden lässt: der schmiere seinem Hirn genügend Stullen für den Weg.

* Hat wer eine kürzere Definition für ein Interview?
** Zitiert aus dem »Lufthansa magazin« April-Juni 2017.

Leck in der Welt

Ein Dichter muss Geschichten
Bevor es tropft, schon dichten.

Frieden

Nicht jeder setzt sich zu dir ans Feuer, weil er friert.

Herz zur Probe

Ich schenke dir mein Herz zur Probe.
Es ist nicht mehr wie neu, doch gut in Schuss.
Ein Schelm, wer denkt, dass ich mich gleich verlobe.
Ich schenke dir mein Herz zur Probe;
Kann sein dass ich es mir bald wieder leihen muss.

So nimm mein Herz in treue Wahrung.
Ich habs nur kurz zum Trocknen rausgelegt.
Es ist noch hungrig, also gib ihm Nahrung!
So nimm mein Herz in treue Wahrung;
Dass es nur immerfort und laut und kräftig schlägt.

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