Auf taube Ohren beißen.
Monat: Oktober 2017
Kennst du das Ding, das singt?
Wer musisch fühlt, der kann es hören
Und sorgen, dass es ferner dringt
In schöne Ohren und erklingt,
Wo böse Menschen sich dran stören.
So manche Lust gleicht trocken Stroh.
Schnell flammt sie auf, steht lichterloh –
Und schmollt geübt, kommt Regen dann:
»Ich fang doch erst zu brennen an!«
Man kann sich nicht zweimal an einem Strick aufhängen.
Keiner je, der ’s nicht bereut hat,
Wenn er sich zu früh gefreut hat.
Wer nicht lernen will, der staune:
Unser Lurch ist guter Laune!
Nehmt als Beispiel hier den Führer,
Ein gar schrecklicher Verlierer.
Traf den Lurch auf seinem Posten:
Bärtig grinste der von Osten.
Weit geringere Gestalten
Ließen keine Umsicht walten,
Zogen stur ihr Ding noch durch
Als längst grinste unser Lurch.
Schließlich: Er kennt seine Leute,
Ja er wittert leichte Beute
Auch bei dir – man kann’s verstehn –
Hat man ihn schon oft gesehn.
Gegen den Alltag siegt man sich zu Tode.
Ein Werk der Nachwelt einzusenden,
Um dann gelöst im Sein zu enden.
Ein argentinisches Pferd schmeckt immer nur so gut, wie es schmecken muss.
Hing ein Künstler in der Krise
Früher tot im Schreibverliese,
Oder ging zu Huren saufen,
Weil das Publikum entlaufen,
Ringt er heut um Expertise,
Da die Künste in der Krise.
Denn nur Kunden noch und Jünger
Kippen vor die Bühne Dünger.
Als zudem sich traf die Gilde,
Um zu setzen sich ins Bilde,
Schäumte es der dicksten Kehle
Gleich hervor vom Grund der Seele:
»Eines lasset unbestritten:
Andre Zeiten, andre Sitten.
Was sich unsren Läufen sperrt,
Wird vom Sockel jetzt gezerrt.
Meinte wer, mit schönen Liedern,
Sich der Menge anzubiedern –
Perlen karrend vor die Laien –
Drückte er sich zum Lakaien«.
Donnernd weiter, schauderhaft:
»Nieder mit der Heidenschaft!
Rülpsend, furzend, schreiend dumm –
Stört es nur: das Publikum«.
Selbst befeuernd den Applaus
Rief er dann ihr Credo aus:
»Gottbefohlenes Genie
Fühlt ein Tiefgeborner nie!«
Selig von der Welt geschieden
Fand man endlich Ruh und Frieden.
Hin und wieder ein Mäzen
Ward bei einem noch gesehn.
Unterm Dachgebälk seither
Baumeln keine Künstler mehr.
Brütend über kühnen Würfen,
Unentwegt am Latte schlürfen,
Dämmern sie in Kunsthochschulen,
Statt dereinst um Gunst zu buhlen.
(Auch sei es der Eier wegen,
Dass die Hennen Eier legen.)
Doch schon nach geraumer Zeit
Regte auf sich Eitelkeit
Und so manche Künstlerbrille
Blickte kraus ob all der Stille.
Weich gebettet längst in Nischen,
Fern, dem Haufen nachzukriechen,
Träumt man schon einmal von Mengen
Im Parterre und auf den Rängen.
Armer Künstler unbegehrt,
Sicher fühlst du deinen Wert,
Deine Unverzichtbarkeit,
Für dein Land und deine Zeit.
Welche Stimme ließ‘ sich finden,
Ruhm und Ehre dir zu künden?
Bundesorden, Staatsempfänge,
Kupferbüsten, Preis-Gepränge?
Ach, dein Volk – das undankbare –
Ramscht besinnungslos nur Ware,
Lässt sich nicht die Stirne höhen
Von fortschrittlichsten Ideen.
Als man schon aufs Ende sann,
Kam vorbei ein Zeitungsmann,
Lächelte und sprach im forschen
Ton: »Ihr seid mir tolle Burschen!
Schließlich, für die Avantgarde
Schlug mein Herz noch stets apart!
Also: Die Kulturbeilage
Kommt für euch ganz klar in Frage.
Haben wir meist nur als Leser
Die bezahlten Kunstverweser,
Sitzen die doch vor den Türen,
Die in die Paläste führen.
Daher bitt‘ ich abzusehn
Von bestimmteren Ideen.
Kunst verkauft sich, keine Frage,
Besser dann als Wertanlage.
Was demnach zu wünschen wär,
Ging der Geist so ungefähr
Auf dem Klositz zu begreifen
Und danach gleich abzustreifen.«
Künstler nun, auf Vernissagen,
Rampen, oder in Garagen,
Rülpsen, Furzen, Ficken rum
Und es stört kein Publikum.
»Toller Zufall« sagt man nicht. Jene, die sich etwas zu überschwenglich über das Eintreffen ungeplanter Ereignisse freuen, neigen zur Überzeugung, dass die Welt besser ohne das gestaltungswillige Zusetzen der Menschen dran wäre. Wer Zufällen Macht eingeräumt sehen will, hat eine devote Sehnsucht nach romantischer Vorherbestimmung. Alles Antikommunisten.