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Verse und andere Gereimtheiten

Monat: September 2017

Enthaltsamkeit

Es ist nicht die Zeit, Genosse, Zeitgenosse zu sein.

Femme Fatal

Man irrt mit Fleiß
Beim Flirt mit Eis.

Wir sind das Volk

In der Küche eines Freundes, welche ob ihrer Eingerichtetheit der Geselligkeit sehr zuträglich ist, hängt an der Wand ein Zettel, auf welchem ein Zitat Max Goldts geschrieben steht:

»Fußball ist kein Thema derer, die das Morgen gestalten«

Man kann sich die Neigungen seiner Gäste nicht aussuchen. Und Fußball – möge man hier altklug einwenden – wird auch morgen ein Thema sein. Es ist schon eines seit der Antike. Der moderne Fußball wenigstens, um mit einer guten Nachricht zu eröffnen, ist der Männlichkeit Tod. Es ist begrüßenswert, dass das hufige Kämpfen, Rennen und Pille über die Linie schleppen sich inzwischen nahezu chancenlos zeigt gegen die elegante Dominanz intelligenter Spielsysteme. Dumm allein der Gedanke, dass analog zur Intelligenz des Spiels auch das Publikum reifen würde. Fußball bleibt ein Spiel, das sich genießen lässt, ohne dass man es begreifen muss. Der Pöbel drängt sich einfach dahin, wo bei Siegen der meiste Ruhmeslärm herrscht. Das Volk also denkt wie immer, es dürfe mittendrin dabei sein, natürlich auch da oder gerade da, wo es sich daneben benimmt. Wer Leipziger kennt, versteht mich da.

Auch deswegen musste sich zuletzt erst der deutsche Fußballspieler Mats Hummels darüber wundern, dass jedermann am Schalter vorm Stadion Eintrittskarten erwerben konnte, um Zutritt zu seiner Welt zu erhalten. Dieses schöne Recht nämlich nutzten deutsche Nazis in Tschechien, um zur besten Sendezeit der zuschauenden Welt mitzuteilen, wie weit es der deutsche Tourismus nach 1945 inzwischen wieder gebracht hat.

»Wir sind nicht deren Nationalmannschaft« (Bundestrainer Joachim Löw)

Wo man zu bequem und geizig ist, sich sein Volk ordentlich zu erziehen, kann man immer noch Mittel anstrengen, um das Volk da auszugrenzen, wo es den gesitteten Ablauf einträglicher Veranstaltungen stört. Aber manche Veranstalter wollen oder können sich einmal nicht den Teppich leisten, unter welchen die Dummheit, die ständig und überall produziert wird, zu kehren ginge. Das jedoch ist der eigentliche Fehler:

»Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es in Ländern wie San Marino oder Tschechien keine absolute Sicherheit gibt, weil dort zum Beispiel von Einheimischen unkontrolliert Tickets weitergegeben werden und in den freien Verkauf gelangen« (DFB-Präsident Reinhard Grindel)

Wenn deutsche Trottel im Ausland herumreisen und -rotzen – will das heißen – dann tragen wie immer die Einheimischen die Schuld.

Time Is On My Side

Ich hätte nie gedacht, dass es die Rolling Stones an dem Tag noch geben würde, an dem ich feststellen sollte, dass ich zu alt für sie bin.

Dem Deutschen Volke

Man vergisst leicht, dass man aus Gründen der Gerechtigkeit ein Antidemokrat ist.

Die Schürze II

Die Wäschetrommel rumpelet,
Sie spült vom Bett ein Tuch,
Frau Gerber tanzt am Bügelbrett.
Heut Abend kommt Besuch.

Sie bügelt dies und jenes auch,
Zur Eile mahnt die Kürze.
Sie trägt daher vor ihrem Bauch
Nicht mehr als eine Schürze.

Dieselbe ist dem Zweck bestimmt,
Dass nichts darunter dringe,
Das sich zum Schaden unternimmt
Und schmutzig gar verdinge.

In jene Schürze eingehängt:
Ein Tonabspielgerät,
Das Schwung von Ohr zu Hüfte lenkt.
Sie hat es aufgedreht.

Derweil es schellt im Treppenhaus –
Ist denn keiner da?
Wer harrt vor tauben Türen aus?
Die Ungeduld, ja ja:

Herr Lorenz grübelt längst im Flur:
Die Zeit, die abgemachte,
Das war doch gegen sieben Uhr?
Frau Gerber meint: um achte.

Den Gast herein zu bitten fehlt
Herr Gerber unterdessen,
Der fern der Heimat Tage zählt
Auf Dienstreise in Hessen.

Die so verstellte Lage bringt,
Durch rhythmisch tolle Regung,
Frau Gerber, die das Eisen schwingt,
Dann endlich in Bewegung:

Die Schürze, ihrem Zweck entweiht,
Entsagt nun frommer Schickung:
Kabel, Hörer, Arbeitskleid,
Die sorgen für Verstrickung.

Worauf sich löst das Kleidungsstück
(Es war auch höchste Zeit!)
Und niederfährt mitsamt Musik –
Frau Gerbers Ohr: befreit.

Befreit zu hörn das Türgeläut –
Befreit auch sie komplett
Im Hausflur, was Herrn Lorenz freut:
»Frau Gerber, endlich! – o wie nett«!
Die Wäschetrommel rumpelt.

Waidmanns Unheil

Jage nicht im Wald, in dem du dich verirrt hast.

Erpressungsassymmetrie

Wo man sich dem Feind hoffnungslos unterlegen sieht, wo also ein Kräftemessen gleichbedeutend dem eigenen Untergang ist, muss der so ins Hintertreffen geratene jene Zweifel, die sein Gegner an der eigenen Tatüberzeugung hegen könnte, durch übersteigerten Eifer wettzumachen suchen. Dem Underdog muss es gelingen, die Aura des selbstmörderischen Wahnsinns, die es hierfür braucht, glaubhaft zu verströmen. Nur damit kann er eine »Erpressungssymmetrie« herstellen und am Verhandlungstisch bleiben.

Aber wie lange kann man den Wahnsinnigen spielen, ohne dabei wahnsinnig zu werden? Wer immer nur kleine Einsätze hält, sieht sich stets aufs Neue genötigt, All In zu spielen.

Die Paranoia wird irgendwann einfach ins Objekt ausgelagert. Der Größenwahnsinnige im Endstadium redet sich schließlich ein, die anderen fühlten sich von ihm verfolgt:

»Sollten wir unseren super-gewaltigen Präventivschlag starten, wird er nicht nur umgehend die Truppen der US-Imperialisten in Südkorea und Umgebung, sondern auch das US-Festland auslöschen und zu Asche machen.«

Ich plädiere für die altmodische Lösung:

Serviere den Despoten Tapas,
Mit Gruß von ihren toten Papas.

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