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Verse und andere Gereimtheiten

Kategorie: Lied

Kapitalistisches Liebeslied

Du weißt, was mir gefällt,
Doch du weißt auch:
Dass du mir das nicht geben kannst und dass
Mir keine andre geben darf,
Was dich vergessen macht.

Ach wie schön wird erst die Welt sein,
Wenn du fort bist.

Du gibst von selbst nicht auf,
Das weiß ich auch.
Dass du dir das nicht nehmen lässt, war klar.
Bevor du dich verlassen siehst,
Gehn alle mit dir drauf.

Ach wie schön muss erst die Welt sein,
Wenn du fort bist.

Besser als nichts

In deine Stirn versenkten sich
Schon früh die Spuren des Verzichts.
Bedauerlich, denn ein gebroch-
nes Herz ist besser als nichts.

Das eine bleibt, das andre nicht,
Es wäre gleich, doch angesichts
Der Welt für sich ist ein gebroch-
nes Herz viel besser als nichts.

Ich sag schon einmal nichts

Die Gedanken sind frei
Wo es nicht mehr weiter geht
Und der Kaffee wird kalt
Der in deinem Fenster steht
Keine Zeit für alte Uhren
Neue Zeiger zu besorgen
Und ich sag schon einmal: nichts

Die verlorene Zeit
Die ist immer wieder schön
Und wir bleiben uns treu
Wenn wir uns verloren gehn
Keine Zeit für alte Uhren
Neue Zeit sich zu besorgen
Und ich sag schon einmal: nichts

Das Verlangen nach mehr
Ist die letzte Bastion
Und wir sinken ins Schwert
Das verdammte Bataillon
Es grüßen dich die Todgeweihten
Die zum Untergang befreiten
Au revoir, goodbye und: tschüss

Wasserspiegelauslenkung

Ich stehe hier und werfe keine
Pflastersteine in dein Fenster.
Ich werfe Steine in den Fluss.
Die tauchen dort von ganz allein
In einen allerletzten Kuss.

Ich stehe hier und werfe Steine,
Werfe Steine in einen Fluss.
Und sie versinken in den Wellen,
Die ein Boot ans Ufer treibt,
Das nie wiederkehren wird.

Blumen enthaupten

Ich kaufte ihr von meinem letzten Geld
Im Kiosk am Zoo einen Strauß Orchideen.
Die hat sie dann einzeln enthauptet zum Spaß
Und gab sie den Ziegen zum Fraß.
Zwei Tage danach schon hat sie sich beschwert,
Ob sie meinem Herzen noch irgendwas wert.
Ich hätte so lange nicht an sie gedacht
Und ihr keine Blumen gebracht.

Ein Buch voller Liebesbriefe, das hab
Ich ihr gebunden, von eigener Hand.
Das hat sie dem wackligen Küchenstuhl dann
Unter das fußkranke Holzbein geklemmt.
Doch gestern bereits kam ein Anruf zur Nacht,
Ihre Stimme am Ohr rief mich aufgeregt wach:
Ich hätte schon lang nicht mehr an sie gedacht
Und ihr keine Lieder gebracht.

Ich habe ihr Großmutters Cognac vermacht
Auf der Flasche stand drauf: Neunzehnhundert und was.
Die hat sie bei einem Studentenfanal
Unter die trunkenen Schweine gebracht.
Auf dem Heimweg hinein in den dämmernden Tag
Da konnt sie kaum stehn, doch sie hat noch geklagt:
Ich hätt ja schon lang nicht mehr an sie gedacht
Und ihr keine Freude gemacht.

2017

Wir haben lange ausgehalten, ja.
Wir mühten senkrecht uns und in der Waage,
Mal oben hier, mal oben da.
Und kamen uns nicht näher, keine Frage.

Die Dinge, die du nun erst sagst sind hässlich,
Doch hässlich machen sie vor allem dich.
Um schöne Dinge bist du zu vergesslich.
Nun habe ich sie ganz allein für mich.

Dein letzter Vorwurf schießt verdammt ins Leere.
Träf er mich, ich spürte keinen Schmerz.
Du wolltest sicher, dass ich mich empöre,
Doch hab ich längst zurück, weshalb ich kam.

Herz zur Probe

Ich schenke dir mein Herz zur Probe.
Es ist nicht mehr wie neu, doch gut in Schuss.
Ein Schelm, wer denkt, dass ich mich gleich verlobe.
Ich schenke dir mein Herz zur Probe;
Kann sein dass ich es mir bald wieder leihen muss.

So nimm mein Herz in treue Wahrung.
Ich habs nur kurz zum Trocknen rausgelegt.
Es ist noch hungrig, also gib ihm Nahrung!
So nimm mein Herz in treue Wahrung;
Dass es nur immerfort und laut und kräftig schlägt.

Aber dann

Regieanweisung: Die angeführten Passagen werden von einem Matrosenchor gesungen. Zur Not tun es auch Holzfäller.
 

Ein stolzes Schiff ging einst auf große Fahrt
– aber dann –
Kam ein Boot nur noch zurück
Und ich dachte: »Auch du, auf einmal so klein?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur aus uns gemacht
– Was haben sie nur aus uns gemacht –

Ein volles Glas ging schäumend ab vom Hahn
– aber dann –
War es leer im Augenblick
Und ich dachte: »Nanu, auf einmal so leicht?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur mit dir gemacht
– Was haben sie nur mit dir gemacht –

Ein stolzes Heer lief raunend in die Schlacht
– aber dann –
Kam ein Häuflein noch zurück
Und ich fragte: »Warum auf einmal so leis?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur mit euch gemacht
– Was haben sie nur mit euch gemacht –

Ein Werdegang zog oben seine Bahn
– aber dann –
Schnitt man ihn von einem Strick
Und ich dachte: »Warum auf einmal so bleich?«
– sieh an, sieh an –
Was haben sie nur von dir gedacht
– Was haben sie nur von dir gedacht –

Die schöne Braut stand festlich vorm Altar
– aber dann –
Lief sie fort auch noch mit mir
Und sie lachte: »Auch du, auf einmal so frei?«
– sieh an, sieh an –
Was haben wir nur bis hier gemacht
– Was haben wir nur bis hier gemacht –

 
Ein Lied hat einen Einfall. Aus dem folgt alles weitere. Den hier vorliegenden habe ich mir von Peter Hacks geliehen und ihn mir zum Punzieren aufgespannt.

Der Dichter schrieb der Schauspielerin Eva-Maria Hagen – bereits im Herbst ihrer gemeinsamen Liebschaft – auf eine Postkarte:

»Eben fuhr ein großer Dampfer von rechts nach links und nach einer Weile kam (von links nach rechts) ein ganz kleiner Dampfer zurück und ich habe geseufzt und gesprochen: ›Bruder, was haben sie mit dir gemacht?‹«

Veröffentlicht in: Eva-Maria Hagen, Peter Hacks, Liaison amoureuse, Eulenspiegel Verlag 2013. Das Buch ist zurecht weitgehend unbesprochen. Der knappe Briefwechsel mitsamt eingestreuten Fülltexten und -nummern wird schrullenhaft eskortiert von den verkrampften Erinnerungen einer Vergessenen.

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