Sudelseite

Verse und andere Gereimtheiten

Monat: Juni 2020

Wurstwirtschaft

Es gibt einmal Vorhersagen, auf die man sich besonders reserviert, um den Moment ihrer Wahrwerdung abzupassen. Nicht eben sehnsüchtig. Aber doch nicht ohne Eifer. Träfen sie nicht ein, änderte das nichts an den Gesetzen der Welt. Die Welt würde auch ohne jene Beispiele fortfahren, sich in erwarteten Bahnen zu bewegen. Aber natürlich wollen wir so viel Fleisch wie möglich durch den Wolf drehen. Nichts ist außerdem besser für den Ruf der eigenen Weltanschauung, als das Eintreffen derjenigen Vorhersagen, die man auf Grundlage derselben getätigt hat. Daher begrüßte ich dieser Tage mit einiger Genugtuung die Schlagzeile:

»Hoeneß nimmt Tönnies in Schutz«.

Das ist sie, die Solidarität der oberen Zehntausend. Das ist Klassenbewusstsein, Erkenntnis: Wenn es um die Wurst geht, dann nicht in Scheiben.

Der Blickfang

Mein Blick verfehlte knapp sein Ziel,
Drauf er in deinen Ausschnitt fiel,
 
Wo er, in seinem dunklen Drang,
Auf steilem Pfad hinab sich schlang.
 
Auf einmal aber hing er fest,
Da wartet er nun auf den Rest.

Die Einsamkeit vorm Tode

Das Märtyrertum des wahrhaft heldenhaften Intellektuellen bemisst sich an der Zahl der Freunde, die er seinen Prinzipien geopfert hat.

Das Interview

Jeder Mensch bedarf des Rates
In Betreff gemeiner Sitten.
Und er leiht sich oft probates
Muster danach aus bei Dritten.
 
Bei berühmten Regisseuren,
Mannequins und Rennpiloten,
Volksvertretern, selbst Friseuren,
Alle überangeboten.
 
Die beschwatzt ein nie verzagter
Mittelsmann: der Journalist.
Weil ein Jemand (ein Gefragter)
Nicht für uns zu sprechen ist.
 
Drollig dreht sich das Gespann
Unentwegt auf dünnem Eis,
Wie der eine, der nichts kann,
Einen fragt, der gar nichts weiß.

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