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Verse und andere Gereimtheiten

Kategorie: Gedicht (Seite 3 von 8)

Trübe Fischer

Antraf man die Sardinen,
Wo immer sie erschienen,
Mit unbelebten Mienen.
Schon unterschob man ihnen
Der Niedertracht zu dienen.
Dem ich entgegentrete:
Wen solch Verdacht umwehte,
Der ihn erhärten täte,
Der sei, der solches täte,
Blamiert bis auf die Gräte.

Von hinten grinst der Lurch

Keiner je, der ’s nicht bereut hat,
Wenn er sich zu früh gefreut hat.
Wer nicht lernen will, der staune:
Unser Lurch ist guter Laune!

Noch den großen Bonaparte
Hatte er zuletzt genarrt.
Zeigte sich auf seinem Posten,
Grinste bärtig dort von Osten.

Weit geringere Gestalten
Ließen keine Umsicht walten,
Zogen stur ihr Ding noch durch
Als längst grinste unser Lurch.

Schließlich: Er kennt seine Leute,
Ja er wittert leichte Beute
Auch bei dir – man kann’s verstehn –
Hat man ihn schon oft gesehn.

Neues von Erato

Die Muse träumt von edlen Herren,
Ins Dickicht sie hineinzuzerren.
Schon naht ein Prinz. Sie schläft doch nicht?
Wir wissen nur: Sie räkelt sich.
 
Ein Kleid verrät die hellen Hüften.
Doch wer vermag dies Rätsel lüften?
Ein Wind aus Dünen, abendlich,
Hat leichtes Spiel. Sie räkelt sich.
 
Zwei spitze Augen klopfen frech
An eine Wanne, die aus Blech,
Darinnen sie. Sie wird doch nicht
Entsteigen? Nun … sie räkelt sich.
 
Ein Schurke wollte sich empfehlen
Ihr räkelrecht das Herz zu stehlen.
Am Galgen baumelt nun der Wicht.
Sie schaut von fern und räkelt sich.
 
Odysseus, wärst du fort geblieben!
Hast dich am Mast längst aufgerieben.
Nicht nur Gesang verführte dich!
Sie kichert spitz und räkelt sich!
 
Im Südatlantik schwimmt ein Riff
Aus Eis – hindurch ein Kreuzfahrtschiff,
Es kracht im Stahl, der Rumpf zerbricht!
Im Rettungsboot: Sie räkelt sich.
 
Man denkt: So eine Bücherei,
Die sei von eitler Störung frei.
Da flackert schon das Leselicht,
Die Muse rutscht und räkelt sich.
 
Die allgemeine Sittlichkeit
Ist gen Erato nicht gefeit.
Lädt man sie vor ein Strafgericht,
Auf harte Bank. Sie räkelt sich.
 
Entgegen jener Antoinette,
Gezerrt des Nachts aus ihrem Bett,
Entmutigt sie der Kerker nicht,
Die Pritsche quietscht: Sie räkelt sich.
 
Sogar noch unterm Köpfehobel
Herzeigt sie ihre Glieder nobel.
Und wie das Beil herunterbricht,
Was tut sie noch? Sie räkelt sich.
 
EPILOG:
 
Der Weltgeist stopft sich ein paar Essen,
Pafft Schlot um Schlot erinnerlich.
»Was wollte ich noch gleich vergessen«?
Er hustet kurz. Sie räkelt sich.

Kakophonie (für Emma)

Zu einem Stück von Haydn fanden
Zusammen sich fünf Musikanten.
Einander zugesellt von vorn:
Oboe, Klarinette, Horn
Nebst Flöte und zuletzt Fagott.
So quintisierten sie komplott.

Die Flöte traf den meisten Spaß,
Dass sie darüber ganz vergaß
Mitsamt Kollegen, allen vieren,
Im Einklang noch zu musizieren
Auch fand sie, dass besonders ist,
Wer sich hervortut als Solist.

Durch derlei Eitelkeit gestört,
Verstimmte sich der Rest empört.
Zwar ward noch immer vieles Schöne
Hineingelegt in ihre Töne,
Doch höhlte sich bald immanent
Das klangerfüllte Fundament.

Zuerst entstieg die Klarinette
Die gern der Flöte Freiheit hätte,
Ihr dünkte, sich herauszuheben,
Sich ungebührlich zu beleben,
Wodurch sie sich vergriff im Ton,
Da fiel sie von der Leiter schon.

Sie fiel vornüber rein ins Horn,
Weshalb dasselbe drauf im Zorn
Gleich der Oboe zartes D#
Tritonisch auseinanderriss.
In diesen Schluss hinein im Trott,
Da furzte kläglich das Fagott.

Und die Moral von der Geschicht?
Die kümmert unsre Flöte nicht.

Wilde Ernte

Im Garten steht ein Apfelbaum
Und da herumgehegt ein Zaun,
Wodurch die Früchte, vielbegehrt,
Dem Zugriff Fremder jäh versperrt.
 
Wie dem auch sei, die Zweige ragen
Insonders, wenn sie Äpfel tragen,
Schräg über jenen Zaun aus Latten
Hinein in einen Weg mit Schatten.
 
Und eben dort war angebracht
Von einem Gärtner wohlbedacht,
Gut sichtbar, an gemäßer Stelle,
Ein Warnschild für den Fall der Fälle:
 
Worauf geächtet wilde Ernte,
Ein Dieb, der eine Frucht entfernte,
Um diese gierig zu vernaschen,
Der ließ sich besser nicht erhaschen.

Hinwiederum gehörte allen
Das Fallobst, das herabgefallen
Und außer der Umfriedung liegt –
Das gönne jeder sich vergnügt.
 
Ein junger Bursche aus Berlin,
Der hatte sich verirrt dahin.
Inmitten eines Tagestraums
Traf ihn ein Apfel jenes Baums.
 
Und im Begriffe mit Entzücken
Zur reifen Frucht sich hinzubücken
Geriet sein Blick auf jenes Schild,
Worauf er sich entflammte wild.
 
Gereizt durch heiliges Verbot
Und stete Sünde längst verroht,
Erklomm er jetzt des Baumes Krone,
Dass höherer Genuss ihn lohne.

Der Gärtner, der den Freveltäter
Verpasste, sah den Raub erst später.
Da jener sich nach wilder Ernte
Gleich wieder nach der Stadt entfernte.

Erato II

Oder: Die Muse als blinder Passagier

Voll der Koffer, bis zum Rand.
Sommer träumt das Förderband.
Keiner ahnt Eratos Schlich
Ins Gepäck. Sie räkelt sich
 
Zwischen Goethe, Hosen, Schnitten,
Drängt sie ihre schicken Formen:
Der geschickt, dass keiner denkt,
Dass da jemand eingezwängt.
 
Denn der Koffer mit Gepäck –
Ist zu klein bald zum Versteck.
Wohl (nicht nur) aus dem Grund: nackt
Hat sie sich hinzugepackt.
 
Nervenkitzel, Monitor –
Ein Beamter schwitzt davor,
Treu zu leisten seine Pflicht.
Doch er sieht den Sprengstoff nicht.
 
Und die Muse, still und leise,
Schickt sich mit auf frohe Reise,
Hat es sich bequem gemacht:
Im Gepäckfach tickt die Fracht.
 
Wer den Koffer im Hotel
Endlich öffnet dann, dem fällt
Alles Leben vom Gesicht.
Kurzum: Schnitten gibt es nicht.

Der verlorene Sinn

Am dunklen Ufer sitzt der Sinn,
In eine Hand gestützt das Kinn,
»Wozu das alles und wofür?
Ich bin ja wohl nicht ganz bei mir.«

Und zwischen Wellen branden Klagen:
»Wer hat nach hier mich übertragen?
Geschah dies einzig aus Versehen?
Hier will mich keiner mehr verstehen.

Da drüben war das Leben leicht,
Der Himmel blau, das Wasser seicht.
Ich bin verloren und verflucht,
Weil keine Seele mich hier sucht.«

Erato

Gemacht, Genüsse zu erfahren,
Mag sich die Muse Mühsal sparen.
Sie scheut die Arbeit, scheut die Pflicht.
Was tut sie dann? – Sie räkelt sich!
 
Auf Betten, Kissen, Ottomanen
Lässt sie den holden Abdruck ahnen,
In ihren Launen liederlich,
Wo sie auch liegt: sie räkelt sich.
 
Und steht zum Reißen fest gespannt
Die Leinwand – wo des Meisters Hand
Ansetzt zum letzten Pinselstrich –
Was tut sie! Er verkleckert sich.

Datenklau

Ich bin so oft gedankenlos,
Da suche ich Gedanken
Und finde sie nicht hier
In meinen Datenbanken.
Da liegen sie bei Dir.
Ich bin so oft Gedanken los.

Februar

Die Spatzen nesteln garstig an den Hecken.
Die Zweige stechen blind durchs kalte Licht.
Die Stirne fährt sich zögernd durchs Gesicht.
Sie hegt Gedanken, die sich noch verstecken.

Zwei Kleider auf der Wäscheleine wecken
Erinnerung. Doch wir vergessen nicht,
Was uns der Winter lehrte an Verzicht,
Dass wir ja noch in einem Mantel stecken.

Ein Igel schleppt sich zitternd vor den Bau
Und schnuppert sich entlang durchs Kieselgrau.
Ein Wind hebt an, der keck an Wolken zupft.

Das ist die Zeit, wo Sonne in uns reift,
Bevor uns Märzens Ungeduld ergreift.
Schon hat ein Fuchs ein junges Huhn gerupft.

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