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Verse und andere Gereimtheiten

Kategorie: Gedicht (Seite 7 von 8)

Die Geburt des modernen Künstlers aus dem Feuilleton

Hing ein Künstler in der Krise
Früher tot im Schreibverliese,
Oder ging zu Huren saufen,
Weil das Publikum entlaufen,

Ringt er heut um Expertise,
Da die Künste in der Krise.
Denn nur Kunden noch und Jünger
Kippen vor die Bühne Dünger.

Als zudem sich traf die Gilde,
Um zu setzen sich ins Bilde,
Schäumte es der dicksten Kehle
Gleich hervor vom Grund der Seele:

»Eines lasset unbestritten:
Andre Zeiten, andre Sitten.
Was sich unsren Läufen sperrt,
Wird vom Sockel jetzt gezerrt.

Meinte wer, mit schönen Liedern,
Sich der Menge anzubiedern –
Perlen karrend vor die Laien –
Drückte er sich zum Lakaien«.

Donnernd weiter, schauderhaft:
»Nieder mit der Heidenschaft!
Rülpsend, furzend, schreiend dumm –
Stört es nur: das Publikum«.

Selbst befeuernd den Applaus
Rief er dann ihr Credo aus:
»Gottbefohlenes Genie
Fühlt ein Tiefgeborner nie!«

Selig von der Welt geschieden
Fand man endlich Ruh und Frieden.
Hin und wieder ein Mäzen
Ward bei einem noch gesehn.

Unterm Dachgebälk seither
Baumeln keine Künstler mehr.
Brütend über kühnen Würfen,
Unentwegt am Latte schlürfen,

Dämmern sie in Kunsthochschulen,
Statt dereinst um Gunst zu buhlen.
(Auch sei es der Eier wegen,
Dass die Hennen Eier legen.)

Doch schon nach geraumer Zeit
Regte auf sich Eitelkeit
Und so manche Künstlerbrille
Blickte kraus ob all der Stille.

Weich gebettet längst in Nischen,
Fern, dem Haufen nachzukriechen,
Träumt man schon einmal von Mengen
Im Parterre und auf den Rängen.

Armer Künstler unbegehrt,
Sicher fühlst du deinen Wert,
Deine Unverzichtbarkeit,
Für dein Land und deine Zeit.

Welche Stimme ließ‘ sich finden,
Ruhm und Ehre dir zu künden?
Bundesorden, Staatsempfänge,
Kupferbüsten, Preis-Gepränge?

Ach, dein Volk – das undankbare –
Ramscht besinnungslos nur Ware,
Lässt sich nicht die Stirne höhen
Von fortschrittlichsten Ideen.

Als man schon aufs Ende sann,
Kam vorbei ein Zeitungsmann,
Lächelte und sprach im forschen
Ton: »Ihr seid mir tolle Burschen!

Schließlich, für die Avantgarde
Schlug mein Herz noch stets apart!
Also: Die Kulturbeilage
Kommt für euch ganz klar in Frage.

Haben wir meist nur als Leser
Die bezahlten Kunstverweser,
Sitzen die doch vor den Türen,
Die in die Paläste führen.

Daher bitt‘ ich abzusehn
Von bestimmteren Ideen.
Kunst verkauft sich, keine Frage,
Besser dann als Wertanlage.

Was demnach zu wünschen wär,
Ging der Geist so ungefähr
Auf dem Klositz zu begreifen
Und danach gleich abzustreifen.«

Künstler nun, auf Vernissagen,
Rampen, oder in Garagen,
Rülpsen, Furzen, Ficken rum
Und es stört kein Publikum.

Die Schürze II

Die Wäschetrommel rumpelet,
Sie spült vom Bett ein Tuch,
Frau Gerber tanzt am Bügelbrett.
Heut Abend kommt Besuch.

Sie bügelt dies und jenes auch,
Zur Eile mahnt die Kürze.
Sie trägt daher vor ihrem Bauch
Nicht mehr als eine Schürze.

Dieselbe ist dem Zweck bestimmt,
Dass nichts darunter dringe,
Das sich zum Schaden unternimmt
Und schmutzig gar verdinge.

In jene Schürze eingehängt:
Ein Tonabspielgerät,
Das Schwung von Ohr zu Hüfte lenkt.
Sie hat es aufgedreht.

Derweil es schellt im Treppenhaus –
Ist denn keiner da?
Wer harrt vor tauben Türen aus?
Die Ungeduld, ja ja:

Herr Lorenz grübelt längst im Flur:
Die Zeit, die abgemachte,
Das war doch gegen sieben Uhr?
Frau Gerber meint: um achte.

Den Gast herein zu bitten fehlt
Herr Gerber unterdessen,
Der fern der Heimat Tage zählt
Auf Dienstreise in Hessen.

Die so verstellte Lage bringt,
Durch rhythmisch tolle Regung,
Frau Gerber, die das Eisen schwingt,
Dann endlich in Bewegung:

Die Schürze, ihrem Zweck entweiht,
Entsagt nun frommer Schickung:
Kabel, Hörer, Arbeitskleid,
Die sorgen für Verstrickung.

Worauf sich löst das Kleidungsstück
(Es war auch höchste Zeit!)
Und niederfährt mitsamt Musik –
Frau Gerbers Ohr: befreit.

Befreit zu hörn das Türgeläut –
Befreit auch sie komplett
Im Hausflur, was Herrn Lorenz freut:
»Frau Gerber, endlich! – o wie nett«!
Die Wäschetrommel rumpelt.

Zimmermannshochzeit

Wo edle Hölzer sich verfügen,
Sich traut zu einem Bund vereinen,
Da herrsche unentwegt Vergnügen
In groben Fasern wie in feinen,
Schwingfestigkeit und dennoch Schwung –
Doch niemals Fasersättigung!

Klassenbewusstsein

Das Grab steht frei,
kein Busch, kein Zaun
verwehrt dem Blick
es zu beschaun –
zu sehen gleich
worein man tritt:
Hier ruht ein Mann
aus unsrer Mitte.

Davor in Reih,
fein aufgesteckt
und für die Lin-
se weich geleckt,
verneigt sich in
geübter Blässe:
das öffentli-
che Interesse

vor einem Staats-
mann von Format
(ein sozia-
ler Demokrat!).
Der hat noch ein-
mal Publikum
und Glück: jetzt fällt
er nicht mehr um.

Der Friedhofswart
auf seiner Bank
trinkt Schnaps bis Son-
nenuntergang,
harrt, bis der letz-
te Kondolent
zur Tagesschau
vors Sofa rennt.

Drauf schleppt er sich
ans Grab zum Stein,
stellt weit beim Gies-
sen aus das Bein,
greift sich noch ei-
nen Blumenstrauß
für seine Frau
und schwankt nach Haus.

Quid pro quo

Lizenzsauflagen: was Religionstreibende beachten müssen

Das Volk lass in der Schänke thronen,
Nicht ebenda Getränke schonen.

Lautpreis die Lust der Weiber. Leis
Den Mann, der viel um Leiber weiß.

Dann – böser Geist – dann fange Seelen.
Es wird nicht am Gesange fehlen.

Timing

Wer alles will und das sofort,
Erhält es nie. An keinem Ort.

Wer alles will, zu seiner Zeit,
Der lebt nicht, der ist nicht gescheit.

Zu jeder Zeit am richtgen Ort?
Der alles gibt. Und das sofort.

Kafkas Rad

Der Wunsch, im Nu bei dir zu weilen,
Er heißt die Tat, sich zu beeilen.
Schon werfe ich mich übers Rad
Und frisch geölt glänzt jeder Draht.

Die Stadt umfängt mich mit Verkehr,
Der wächst und brüllt und stellt sich quer –
Das Ziel, das nah noch schien am Start,
Rückt fern und ferner mit der Fahrt.

Zumal: Das Vorwärtskommen regelt
Ein rätselhaftes Leitsystem.
Womit das Chaos zwar entflegelt,
Doch hier gilt: Lösung gleich Problem.

Man darf so schnell nicht, wie man will,
Auf Straßen mahnen Recht und Bill
Zum gegenseitig Rücksicht nehmen,
Die Ungeduldigen zu zähmen.

Und selbst der Greis mit seinem Rad,
Der sicher keine Eile hat,
Holt mich stets ein, an jeder Ampel
Wieder. Nutzlos mein Gestrampel.

Survival Of The Fittest

Noch ungebrochen ward mein Stolz
(Da nicht geschnitzt aus hartem Holz)
Und just auf jene Weise biegsam,
Wie du um meine Hüfte schmiegsam.

Der Grollhaufen

Immerfort, aus allen Ecken,
Bald aus vordersten Verstecken,
Wächst der Groll zu einem Haufen,
Zwecklos, ihm davon zu laufen.

Ob ihr hier seid oder da:
Er rückt näher – er ist nah –
Rafft unheimlichen Gewinn,
Schaut doch hin! – ihr schaut nicht hin.

Und ihr würdet ihn nicht sehen,
Tät‘ man euch den Hals umdrehen.
Er reibt sich den Bauch und lacht:
Liebe Frauen, liebe Männer –
Dass er satt ist, wisst ihr, wenn er
Über euch zusammenkracht.

Verlorene Illusion

Auf dem Friedhof meiner Träume
Schaufel ich ein Grab für dich.
Nachher lauf ich gleich zum Steinmetz,
Dass er nicht mehr länger säume
Und dir einen schönen Stein setz.

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