Oder: Die freudlosen Siege des Underdogs
Bescheidenheit kommt viel häufiger anmaßend daher, als man glauben mag: Als Anspruchslosigkeit des Underdogs etwa. Wenn einer nie mehr sein will als das, was er im Moment zu leisten vermag. Er will abrufen. Immerhin: Die Stärke dieser Haltung liegt in der Fähigkeit, ohne Kränkung in die eigenen Grenzen zu resignieren. Mit strebsamer Demut akzeptiert der Underdog die gegebenen Möglichkeiten und besinnt sich, frei von Dünkel, auf die erste Tugend des geringer Begabten, wo der auf ein größeres Potential trifft: das Zerstörungsvermögen. Mit an Unmenschlichkeit grenzender Geduld wartet der Underdog auf den entscheidenden Fehler des Spielgestalters: ähnlich den unermüdlichen Grundlinienfressern auf dem Tenniscourt, die humorlos jeden Ball ins Feld zurückprügeln.
Kein Vorwurf hierin. Der Underdog tut, was nottut, uneitel, wie er ist. Sein Selbstverständnis findet sich durch keine höhere Spielidee gebrochen. Gern begründet er diesen Mangel an Vorstellungskraft mit dem Gebot der Praxis, damit, dass der Sieg allein jederzeit jedes Mittel heiligt. Und solcherart nimmt er stets aufs Neue seinen Platz als ewiger Underdog ein, der sich beharrlich an Achilles Fersen heftet und tapfer auf dessen Momente entspannter Blöße wartet. Das sprichwörtliche »über sich Hinauswachsen« ist nicht mehr als ein »die Gunst der Stunde nutzen«. Der Applaus des versammelten Mittelmaßes ist ihm allerorten sicher, wo er einen Großen zu Fall bringt. Achill verliert immer reizvoll. Der Underdog hingegen gewinnt genauso reizlos wie er verliert.
Sollte ein Underdog einst ohne eigenes Verschulden in die Verlegenheit geraten, daselbst der Topdog zu sein, mithin das Gefühl der Überlegenheit erfahren, weiß er gleich gar nichts mit der Gunst der Stunde anzufangen. Seine Entscheidungshoheit bringt dann nichts Schönes hervor, verkümmert, wie seine Anlagen hierfür sind.
Mit einer eigenen Spielidee zu scheitern ist immer der puritanischen Forderung des Tagesgeschäfts vorzuziehen, worin gebetsmühlenartig das Ausschöpfen der brachliegenden Potentiale angemahnt wird. Für diesen Job stehen stets genügend Notnägel bereit, Männer der Praxis, Männer, angetreten, nackte Ergebnisse einzufahren.
Lieber Absteigen als Abstiegskampf.
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