Schrecklich heimgesucht sind jene, die sich auf eine Reise begeben und ihre Reiselektüre zuhause vergessen haben. Zwischen ihnen und dem geistigen Hungertod steht jetzt noch ein Zeitungskiosk.

Man kann sich dies als Szene in etwa so ausmalen: Ein Mensch, bereit zum Überlebenskampf in der Wildnis Alaskas, vor sich nur noch Wetter, Wald und Wölfe, hat seinen Proviant vergessen; und da steht noch ein letztes Haus am Rande der Zivilisation und darin befindet sich eine Filiale von »Bears and Friends«.

Ausgezehrten Hirns klappt sich der Unglückliche in der Economy Class zusammen. Der Hunger schnappt zu, die Verzweiflung greift zum Bordmagazin.

Darin werden Reiseziele empfohlen, in deren Nähe sich ein Flughafen befindet. Jede Ausgabe schmückt sich dann noch mit einem prominenten Gesicht, das dem Leser Einsichten gewährt. Die Grundidee des Interviews besteht darin, dass Sänger, Schauspieler oder Rennfahrer durch Journalisten ermutigt werden, uns die Welt zu erklären. Das klingt noch schlimmer, nachdem man darüber nachgedacht hat: Einer, der nichts kann, fragt einen, der nichts weiß.*

Der Hunger treibts rein. Wir vernehmen den Schauspieler Richard Gere. Der hält eine nützliche Weisheit für all jene bereit, deren Leben er längst hinter sich lassen durfte:

»Das beste Beispiel hat mir einer meiner buddhistischen Lehrer gegeben: Wenn du meditierst und Lärm hörst, weil jemand an die Wand pocht oder laut spricht, dann denkst du dir spontan: Gott, ich wünschte, der würde endlich aufhören. Er meinte, das sei eine sehr westliche Einstellung. Der wirklich Meditierende denkt sich: Toll, ich spüre die Präsenz eines anderen menschlichen Wesens. Und es geht ihm das Herz auf. Mit dieser Einstellung sollte man leben«.**

Wem hierbei noch spürbar das Herz aufginge, das sind allenfalls die Geheimdienste. Dagegen hätte, wollte doch gemeint sein, jedwede Gesellschaft, welche die Privatssphäre respektierte, stets unseren Beifall verdient.

Aber vielleicht muss man sich nur wie Mr. Gere eine Villa kaufen. Die entscheidende Wohltat einer solchen liegt darin, die Präsenz anderer menschlicher Wesen gen Null zu drücken. Wer wiederum die Präsenz solcher Wesen wie Richard Gere reduzieren möchte, der reise nicht oder – wenn sich das dummerweise nicht vermeiden lässt: der schmiere seinem Hirn genügend Stullen für den Weg.

* Hat wer eine kürzere Definition für ein Interview?
** Zitiert aus dem »Lufthansa magazin« April-Juni 2017.